Der Streit um das Urheberrecht

Erst ereifert sich ein wohl seinerzeit beliebter, deutscher Musiker über seine Fans, bzw. die immer-böse Netzgemeinde (wir sind schuld, hier, ja – hier drüben – hallo!), Piraten und was noch alles. Und im Anschluß kommen 51 Tatortautoren auf die Idee einen offenen Brief an …(wen?) zu schreiben den ich jetzt auch nicht zitieren möchte. Wer weiß was die unter Urheberrecht verstehen. Glücklicherweise haben wir noch den CCC, neusprech.org, die Digitale Gesellschaft, netzpolitik.org und viele andere. Bevor ich jetzt was zusammenfasse und die ersten Links poste möchte ich dazusenfen, wo meiner Meinung nach der Hund begraben liegt.

Der Freund eines Freundes erzählte vor kurzem, er sei jetzt im Usenet. Für €25 im Monat kann er sich alles ziehen was das Herz begehrt. „Toll!“ sagte sein Kumpel „würdest Du das auch bezahlen wenns legal wäre?“. „Klaro.“ meinte der. Das Gespräch ging dann noch weiter und sie waren sich einig, dass man natürlich nur so viel Medien brauch, wie man auch konsumiert. Hat man erstmal die Lieblingsmusik, brauchts nicht noch mehr davon, höchstens die neuen Alben. Bei Filmen ist es so ähnlich. An Weihnachten halt die (immer gleichen) Märchen, im Sommer keine, außer es regnet. Trotzdem, €25 jeden Monat.

Jetzt stellen sich zwei Fragen: soll man für jedes Mal hören abrechnen? Wann ist die Kuh genug gemolken? Wenn ich einen Wasserhahn produziere, und davon leben will, muss ich dann jedes Mal wenn jemand da Wasser durchlässt was bekommen? Wenn es ein schöner Wasserhahn ist, reicht dann schon ein Blick darauf um mich zum Gläubiger zu machen? Ich glaube, aus solchen Gedanken ist die Wortschöpfung Contentmafia entstanden: „Schöne Bar (Wasserhahn) hier, wäre schade wenn etwas kaputt geht! Wir bieten Dir Schutz für Deine Bar (Wasserhahn). Du musst uns nur einen Teil Deiner Einnahmen abdrücken…“.

Zu den Begriffen: es geht um Content und sog. geistiges Eigentum, Kostenloskultur, die Netzgemeinde, die Kreativwirtschaft, die Raubkopie und die (sollte uns das Wortmoster tatsächlich überrollen) Rundfunkservicezentrale

Schockierend, nach den ACTA-Protesten quer durch Europa: ZDF und ARD für ACTA und Privatisierung der Rechtsdurchsetzung die würden sogar ein Two-Strikes-Modell unterstützen! Wissen die, was sie da tun?

Fällt das nur mir auf? Der offene Brief der 51 Tator-Stiftschwiger ist von den Begriffen her dem Regener-Rant sehr ähnlich, kam ja auch kurz danach. Aber eben diese Wörter finden sich nicht im normalen, täglichen Netzgebrauch, nicht in dieser Form. Gibt es eine Zombifizierung mit bisher unbekannten Contentviren? Wenn ja, die 51 Kreativen des CCC sind nicht angesteckt worden und warscheinlich gut geimpft. Aus deren Brief zitiere ich daher gerne:

Liebe Tatort-Drehbuchschreiber,

mit Freude nehmen wir – ganz kess als Vertreter der von Euch angeprangerten „Netzgemeinde“ – Euer Interesse [1] an unseren Gedanken zu einer Versachlichung der Diskussion über Urheber- und Urheberverwertungsrechte im digitalen Zeitalter wahr. Bevor wir aber unnötig gleich zu Beginn Schubladen öffnen: Auch wir sind Urheber, sogar Berufsurheber, um genau zu sein. Wir sind Programmierer, Hacker, Gestalter, Musiker, Autoren von Büchern und Artikeln, bringen gar eigene Zeitungen, Blogs und Podcasts heraus. Wir sprechen also nicht nur mit Urhebern, wir sind selber welche.

[…]

Das Tragische (im griechischen Sinne) ist doch, daß wir beide Opfer des Verwertungssystems sind. Ihr schuftet Euch seit Jahren für die Verwertungsindustrie ab und habt so viele Eurer Rechte weggegeben, daß weder Ihr noch Eure Nachfahren von der verlängerten Urheberrechtsschutzfrist etwas haben. Das ist bloß ein Verhandlungsmittel, mit dem Ihr zu reduzieren hofft, wie doll Euch die Verwertungsindustrie abzockt. Wir kämpfen eigentlich auf derselben Seite, aber Ihr merkt es nicht einmal.

[…]

Anstatt Euch an den Konsumenten gütlich zu tun, solltet Ihr Eure Anstrengungen darauf konzentrieren, für Eure Werke direkt vom Auftraggeber ordentlich entlohnt zu werden. Was Ihr braucht ist eine den Namen verdienende, starke Gewerkschaft, kein Monster aus Verwertungsgesellschaften, die dann Youtube langjährig verklagen, weil sie kostenlos Werbung für Euch machen und Euch damit zukünftige Aufträge verschaffen. [2]

[…]

Die Verkürzung eines Schutzrechts ist dabei auch nur eins der Werkzeuge, um gerade Euch (oder besser gesagt Euch und uns) Fallstricke beim Ausüben unserer Berufe auszuräumen. Gerade Ihr solltet doch – bei der recht dünnen Menge potentieller Krimiplots [3]– verstehen, daß Plagiatsanwürfe beim Verwenden von Versatzstücken zu einem horrenden Minenfeld werden. Wir (jetzt in einer Rolle) als Softwareurheber bewegen uns seit zu langer Zeit schon in genau jenem Software-Trivialpatente-Minenfeld, wir verstehen ganz gut, wohin der Zug geht.

[…]

Sir Arthur Conan Doyle schrieb dazu: »Wenn jeder Autor, der ein Honorar für eine Geschichte erhält, die ihre Entstehung Poe verdankt, den Zehnten für ein Monument des Meisters abgeben müßte, dann ergäbe das eine Pyramide so hoch wie die von Cheops.«

Das von Euch als gottgegeben hingestellte sogenannte „geistige Eigentum“ ist bei näherem Hinsehen eine Chimäre jüngeren Datums, gerne als unsachlicher Kampfbegriff angeführt, um gewisse grundsätzliche Diskussionen zu vermeiden.In den letzten Jahren sind dazu viele – auch sehr ausgewogene – Kommentare verfaßt worden. [4]

Daß einige Verwertungsgesellschaften mit dem simplen Fakt überfordert sind, das Kopieren von Werken nicht verhindern zu können, ändert nichts an der Tatsache, daß früher wie jetzt eine grundsätzliche Bereitschaft besteht, Kulturdienstleister angemessen zu entlohnen. Wo es Wege gibt, streßfrei und ohne Gängelungen Werke zu fairen Konditionen zu beziehen, werden diese ausgiebig genutzt, seien es App-Stores für Mobiltelefone oder „Music Stores“ mit einfachen Bezahlmodellen. E-Book-Geschäfte sind ebenso gerade im Kommen, hakeln allerdings wegen der unausgereiften DRM-Technologie ein wenig. In der Netzgemeinde werden über moderne Konzepte wie „Flattr“ sogar einzelne Wortbeiträge in Blogs oder für Podcasts entlohnt. (Beispiel: [5])

[…]

Gerade Ihr als Tatort-Autoren, deren Brötchen zum großen Teil über die Rundfunkgebühren bezahlt werden, solltet wissen, wie sich eine Kulturflatrate anfühlt. Hier hungern Urheber nicht. Aber gerade diese Verwertungsgesellschaft, die Eure Tatort-Drehbücher entlohnt, ist das beste Beispiel, wie sich ein verselbständigter Wasserkopf mehr und mehr der eigentlich Euch zustehenden Anteile am ausgestrahlten Werk einverleibt. Hand hoch, wieviele von Euch sind festangestellt? Wieviele wurden in den letzten Jahren durch Vertragsveränderungen bei den Landesmedienanstalten auch noch der Zweitverwertungsrechte im Netz beraubt? Na, und wie fühlt sich der Blick in Eure Buy-Out-Verträge an, wenn Ihr ehrlich seid? Stockholmsyndrom?

[1] Offener Brief von 51 Tatort-Autoren

[2] Kulturwertmark

[3] http://www.zeit.de/2012/13/Krimi-Tatort/komplettansicht

[5] CRE (früher Chaosradio Express)

Das sitzt. Danke Leute! Vielleicht versteht dann der eine oder andere Leser, dass und wie, die CM Nutzer und Autoren gegeneinander ausspielt! :-)

Es wird einem aber auch gesagt wenn man dort arbeitet. Ich komme ja ursprünglich aus der Medienbranche, bin als Jobanfänger von Live-Musik über Theater, Tonstudio und Film ins Fernsehen geschliddert. Da gibt es nicht nur Gewinner. Eigentlich gibt es sehr viele Unterbezahlte die um ihren Job fürchten – fast jeder bekommt seit Jahren das gleiche Geld. Es ist allerdings auch üblich in der Branche, schon dem Nachwuchs dieses Leben als schmackhaft anzudrehen. Was bleibt einem übrig? 15 Jahre Kamera, nie eine Festanstellung, 2 Kinder. Ob du dann für das Geld am Band stehst oder deinen (ehem.?) Traumberuf ausübst (trotz aller Rückschläge, verspätet bezahlten Rechnungen, mieser Spesen und Preisdrückerei)…!? Und dann hast du ja noch deinen eigenen Film im Kopf, den wolltest du schon lange angehen.

Auf jeden Fall weder leicht noch gerecht. Und da kommt dann einer von denen die es geschafft haben und macht schlechte Stimmung wegen den Raubkopierern, sorry, wegen der Kostenloskultur. UND DU WEIST ES JA WEIL DU DAS GEIZGEILE WERBEVIDEO GEDREHT HAST. LOLWUT?? Mir würde da auch der Kragen platzen. *hust*

Also, zusammengefasst kann man sagen, dass viele der Opfer der Contentmafia (Autoren) gerne eine Kontrolle des GBI (großen bösen Internetz) hätten, damit jeder für ihre Kreativität bezahlen muss. Oder niemand mehr ohne bezahlen rauskommt. Diese Form der Kontrolle würde in einer überdimensionierten, privaten (providerseitigen) Überwachungsinfrastruktur münden. Ohne sowas geht das nicht. Jeder einigermaßen geradeaus denkende Mensch müsste sich allerdings fragen, was das bedeutet, wenn jeder Internetanschluß immer überwach werden soll. Vor allem, wenn die Kreativen die letzten sind, die was davon haben. Denen wird doch nur noch ein Märchen aufgetischt, warum sie am langen Arm verhungern müssen.

Zum Schluß lasse ich einen Auszug aus einer Meldung von Netzpolitik.org stehen:

Heise.de liegt ein Sachstandsbericht der Europäischen Kommission vor, der sich mit der voraussichtlichen Unterzeichnung und Ratifizierung des stark umstrittenen Anti-Piraterie- und Urheberrechtsschutz-Abkommens ACTA befasst. Der Inhalt deckt sich mit unserer Berichterstattung und Analyse:

Der Bürgerprotest wird als “aggressive pan-europäische Kampagne” gegen ACTA bezeichnet, “die von einer demokratisch nicht legitimierten Internetgemeinde getragen werde”. ACTA dürfe laut EU-Kommission nicht scheitert, “da dies ein gefährliches Signal zur Glaubwürdigkeit der Europäischen Union aussenden werde. Auf keinen Fall dürfe man dem Druck der Internetgemeinde nachgeben. Schließlich seien sämtliche Einwände gegen ACTA unbegründet.”

Im Grunde nichts neues, der schönste Satz ist aber: “Wenn ACTA scheitere, sei dies die Schuld der Internet-Gemeinde.”

Zum Thema unbegründete Einwände haben wir gestern nochmal eine kleine Broschüre zum Internetkapitel veröffentlicht. Wir sehen das natürlich anders.

Guten Abend!

Edit (1.4.2012):

1. Schöner, knapper Artikel auf heise, der das Thema zusammenfasst.

2. Außerdem gab es einen Angriff von rechts hinten. Die Contentverwehrter gaben Flugblätter an Schulen heraus. Dem (von mir so herbei gewünschten) aufgeklärtem Bürger nutzt das wenig. Außerdem stehen teilweise falsche Informationen drin. Man begibt sich dank Eigenlob und vielleicht auch Arsch-auf-Grundeis auf ebenfalls sehr dünnes Eis (passend zu den ersten Sonnentagen!).

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